
Worst Case Szenarios
The Incident – 2020

Das Surren ist nur zu hören, weil das Fenster einen Spalt offen steht. Es klingt wie ein Wespenschwarm, der sich mit Stacheln voraus dem Haus nähert.
Grinsend springt Bernhard Biom von der Couch auf. „SALLY, schalte den Fernseher aus“, ruft er schon halb auf dem Weg zur Tür, und das flimmernde Bild erlischt augenblicklich. Schon praktisch, so eine unsichtbare digitale Assistentin.
Bernhard reißt die Tür auf, und ja, da steht es! Ein kleines Paket, genau wie vor einigen Stunden bestellt. Die Lieferdrone mit ihrem Insektensound verschwindet schon wieder am Himmel. Als Bernhard sich hinunter beugt, trifft ihn ein Windstoß. Rumms!
Er muss sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es die Haustür war, die ins Schloss gefallen ist. Einen winzigen Moment lang erfasst ihn ein flaues Gefühl in der Magengegend. Sein Gehirn fängt an, das Panik-Programm laufen zu lassen. Schlüsseldienst rufen, aber wie, ohne Smartphone, denn das neue wurde ja gerade erst geliefert, die SimCard liegt drinnen, also-


Dann muss er über sich selbst lächeln. Er klemmt sich das Paket unter den Arm, greift den Türgriff mit der noch freien rechten Hand für die Authentifizierung und drückt beim Summen die Tür auf. Alte Gewohnheiten legt man eben nur langsam ab.
Zurück auf der Couch reißt er das Paket auf, und das glänzend schwarze Smartphone fällt ihm in die Hand. Marke „IT-waSA 3IG MIS-T4Ke Ltd.“ – fünf Sterne in fast allen Rankings. Ultradünnes Design, eleganter Stil, und das Beste: Es ist genauso hightech, wie es aussieht. Rasch fängt er an, den Fingerabdruck einlesen zu lassen, und macht dann mit seiner Iris und seinem Gesicht weiter.
Die Kameras und Sensoren des Smartphones kennen ihn nun genauer als seine engsten Freunde. Später wird er sich erinnern, bei diesem Gedanken kurz die Stirn gerunzelt zu haben, als hätte er bereits etwas geahnt. Doch dann schiebt er die Grübeleien beiseite. Stattdessen beschließt er, sich ein paar der coolen Spielereien anzusehen.
Zu diesem Zeitpunkt sind seine biometrischen Daten längst bei „IT-waSA 3IG MIS-T4Ke Ltd.“ angekommen, wurden feinsäuberlich sortiert und gespeichert. Zur Lagerung aufbewahrt, wie jede andere Ware, die später verkauft werden kann.
Was sollen die schon groß damit anstellen? ist der letzte Gedanke, den Bernhard und tausende andere Kunden für ihre eigenen Daten übrig haben.
Die Antwort könnte harmlos sein.
Oder eine Katastrophe …
Entscheide Dich jetzt

„Ich habe immer noch kein gutes Gefühl dabei.“ Mit schmalen Lippen begutachtet Amelie das Preisschild auf der Windschutzscheibe des Autos.
Allerdings ist Bernhard der Meinung, dass diese Bezeichnung für den Wagen schon fast eine Beleidigung ist. Man nennt seinen Nachbarn nicht Homo Erectus, und man nennt den MIND Z4 nicht einfach Auto. Er ist die nächste Stufe der Evolution.
Beruhigend legt Bernhard seiner Frau eine Hand auf die Schulter. „Ich will ihn doch kaufen, weil ich kein gutes Gefühl bei der Schrottkarre habe, die bei uns rumsteht“, sagt er. „Wenn ich daran denke, dass du Julia jeden Tag damit zum Kindergarten fahren wirst, schlafe ich schlecht.“
Sie schüttelt den Kopf, ohne den misstrauischen Blick von den stahlgrauen Felgen zu lassen. „Ich möchte die Kontrolle einfach nicht diesem Ding überlassen. Warum muss seit Neuestem alles automatisiert werden? Die Menschen sitzen selbst am Steuer, seit das verdammte Auto erfunden wurde.“
„Und wie oft sind Unfälle passiert?“, fragt Bernhard und legt seinen Arm nun ganz um sie. „Ich weiß, dass du vorsichtig fährst. Aber auch du kannst nur so schnell reagieren, wie es der menschliche Körper eben zulässt. Diese Technik ist um … keine Ahnung, das Hundertfache schneller? Es wird in Zukunft so etwas wie Autounfälle nicht mehr geben.“
„Es hieß auch, die Titanic sei unsinkbar.“
Seufzend legt Bernhard ihr einen Finger unter das Kinn und hebt sanft ihr Gesicht, sodass sie ihn ansehen muss. „Ich verspreche dir“, erklärt er feierlich, „dass dieser Wagen nicht mit einem unerwarteten Eisberg kollidieren wird.“

„Du bist unmöglich.“ Das Lachen kann die Sorgen nicht ganz aus ihrem Gesicht vertreiben, aber es ist ein Anfang.
Letztendlich hat sich Amelie noch mit allem angefreundet, was Bernhard an unnützem Kram, wie sie es nennt, angeschleppt hat. Sie besitzt inzwischen das gleiche Smartphone wie er, und die manuelle Fernbedienung, auf die sie bestanden hat, liegt seit Wochen unbenutzt auf der Kommode. Die Sprachsteuerung funktioniert eben auch, wenn man die Hände gerade braucht, um Julia von der Schokolade fernzuhalten.
Mit dem MIND Z4 wird es sich genauso entwickeln. Die ersten paar Wochen wird Amelie vielleicht noch Schwierigkeiten haben, sich an die zusätzliche Entspannung zu gewöhnen – bis zu dem Tag, an dem sie so selbstverständlich die Vorzüge der Technik genießt, als hätte es die heutige Diskussion nie gegeben.
„Was meinst du?“, fragt Bernhard. „Kaufen wir ihn?“
Amelie schürzt die Lippen. „Keine Eisberge?“
„Keine Eisberge. Versprochen.“

„Ich habe immer noch kein gutes Gefühl dabei.“ Mit schmalen Lippen begutachtet Amelie das Preisschild auf der Windschutzscheibe des Autos.
Allerdings ist Bernhard der Meinung, dass diese Bezeichnung für den Wagen schon fast eine Beleidigung ist. Man nennt seinen Nachbarn nicht Homo Erectus, und man nennt den MIND Z4 nicht einfach Auto. Er ist die nächste Stufe der Evolution.
Beruhigend legt Bernhard seiner Frau eine Hand auf die Schulter. „Ich will ihn doch kaufen, weil ich kein gutes Gefühl bei der Schrottkarre habe, die bei uns rumsteht“, sagt er. „Wenn ich daran denke, dass du Julia jeden Tag damit zum Kindergarten fahren wirst, schlafe ich schlecht.“
Sie schüttelt den Kopf, ohne den misstrauischen Blick von den stahlgrauen Felgen zu lassen. „Ich möchte die Kontrolle einfach nicht diesem Ding überlassen. Warum muss seit Neuestem alles automatisiert werden? Die Menschen sitzen selbst am Steuer, seit das verdammte Auto erfunden wurde.“
„Und wie oft sind Unfälle passiert?“, fragt Bernhard und legt seinen Arm nun ganz um sie. „Ich weiß, dass du vorsichtig fährst. Aber auch du kannst nur so schnell reagieren, wie es der menschliche Körper eben zulässt. Diese Technik ist um … keine Ahnung, das Hundertfache schneller? Es wird in Zukunft so etwas wie Autounfälle nicht mehr geben.“
„Es hieß auch, die Titanic sei unsinkbar.“
Seufzend legt Bernhard ihr einen Finger unter das Kinn und hebt sanft ihr Gesicht, sodass sie ihn ansehen muss. „Ich verspreche dir“, erklärt er feierlich, „dass dieser Wagen nicht mit einem unerwarteten Eisberg kollidieren wird.“

„Du bist unmöglich.“ Das Lachen kann die Sorgen nicht ganz aus ihrem Gesicht vertreiben, aber es ist ein Anfang.
Letztendlich hat sich Amelie noch mit allem angefreundet, was Bernhard an unnützem Kram, wie sie es nennt, angeschleppt hat. Sie besitzt inzwischen das gleiche Smartphone wie er, und die manuelle Fernbedienung, auf die sie bestanden hat, liegt seit Wochen unbenutzt auf der Kommode. Die Sprachsteuerung funktioniert eben auch, wenn man die Hände gerade braucht, um Julia von der Schokolade fernzuhalten.
Mit dem MIND Z4 wird es sich genauso entwickeln. Die ersten paar Wochen wird Amelie vielleicht noch Schwierigkeiten haben, sich an die zusätzliche Entspannung zu gewöhnen – bis zu dem Tag, an dem sie so selbstverständlich die Vorzüge der Technik genießt, als hätte es die heutige Diskussion nie gegeben.
„Was meinst du?“, fragt Bernhard. „Kaufen wir ihn?“
Amelie schürzt die Lippen. „Keine Eisberge?“
„Keine Eisberge. Versprochen.“

„Und sie war wirklich nicht aufgeregt?“, fragt Bernhard. Mit Amelie an seiner Seite schlendert er die Einfahrt hinunter und zum brandneuen MIND Z4. Es ist Julias erster Kindergartentag, und Bernhard ist extra früher aus der Arbeit gekommen, um sie zu überraschen und mit ihrer Mutter gemeinsam zum Abholen aufzutauchen.
„Naja, etwas aufgeregt war sie sicher. Aber mehr auf die gute Art.“ Sie zuckt mit den Schultern und lächelt. „Um ehrlich zu sein, hatte ich mir fast ein bisschen mehr Abschiedsschmerz erhofft. Stattdessen ist sie einfach zu den anderen zum Spielen gerannt. Bin ich sehr egoistisch?“
„Und wie“, sagt Bernhard. „Ein Ungeheuer in Menschengestalt.“
Er ist zu langsam, um ihrem Klaps auf seinen Hinterkopf auszuweichen. Trotzdem kann Amelie ihm nicht entkommen, als er sie in die Arme schließt und ihr Lachen an seiner Brust erstickt.
Auf der zentralen Schlüssel-App seines Smartphones wählt Bernhard den MIND aus. Als der Sensor seinen Daumen erkennt, entriegeln die Türen mit einem leisen Klicken. Dass ein Diebstahl mit gestohlenen oder kopierten Schlüsseln nicht mehr möglich ist, ist nur ein weiterer Vorteil, für den sich der Kauf schon jetzt gelohnt hat.
Am MIND angekommen lässt Amelie sich auf dem Beifahrersitz nieder. Bernhard legt den Gurt an, und als dieser seinen Herzschlag erkennt, startet der Wagen – zu erkennen nur am Aufleuchten der Anzeigen, denn der MIND ist flüsterleise.


Auf dem Handy sucht Bernhard den Kindergarten und weist den Wagen dann per App an, die passende Route zu wählen. Es ist nur eine Fahrt von einer Viertelstunde, aber sich um nichts kümmern zu müssen, hat trotzdem seine Vorteile.
Bernhard beugt sich zu Amelie hinüber und küsst sie. Überrascht lächelt sie ihn an. „Wofür war der denn?“
„Für gar nichts“, sagt er und grinst. „Einfach, weil ich es kann.“ Inzwischen gleitet der MIND schon mit den voreingestellten 90 km/h über die Landstraße.
„Eigentlich“, sagt er eine Weile später, „könnten wir heute Abend essen gehen. Zur Feier des Tages. Und Julia liebt die Spaghetti bei Riccardos.“
„Schieb’s nicht auf Julia. Du bist es, der die Spaghetti liebt.“ Wissend grinst sie ihn an.
„Erwischt.“ Wieder beugt er sich zu ihr, aber als er sie küssen will, streift etwas sein Knie. Eine kurze, schnelle Bewegung, und für den Bruchteil einer Sekunde weiß er, dass es das Lenkrad war. Dann schleudert das Auto herum. Instinktiv streckt er den Arm, will sich an etwas festhalten, hört Amelie keuchen. Bevor er die Augen schließen kann, wird es dunkel.

Das Piepen erklingt so regelmäßig, dass es ihn beruhigen müsste. Stattdessen erinnert es ihn an unzählige langweilige Arztserien, die Amelie und er so lächerlich finden. Piep. Piep. Piep.
Sein Kopf fühlt sich an wie nach einem Schnupfen, dumpf und taub. Bernhard blinzelt. Das Licht ist kalt und sonderbar leblos.
„Dr. Meinold, ich glaube, er wacht auf.“
Bernhard stöhnt. „Ganz ruhig“, sagt eine junge, weibliche Stimme. „Lassen Sie sich Zeit.“ Und dann, in eine andere Richtung: „Doktor?“
Kurz darauf steht ein Mann mit grauen Schläfen und dünner Brille vor ihm. „Herr Biom, schön dass Sie wieder bei uns sind. Ich bin Dr. Meinold. Wie geht es Ihnen?“
„Gut.“ Er schüttelt den Kopf. „Ich weiß nicht.“ Die Erinnerung kommt nur langsam zurück, Bruchstück für Bruchstück, Sekunde für Sekunde. Sonne. Amelie, Spaghetti, das Lenkrad. Schwärze.
Dann stürzt die Wahrheit über ihm zusammen. „Was ist passiert?“ Mit den Ellenbogen will er sich aufstützen, aber eine Schwester hält ihn auf den Kissen. „Wo ist meine Frau?“
„Sie beide hatten einen Unfall“, erklärt der Arzt quälend langsam. Seine Finger streichen unentwegt über das Klemmbrett in seiner Hand. „Über die Umstände wird die Polizei mit Ihnen sprechen wollen, wir haben die zuständigen Beamten bereits benachrichtigt.“
„Wo ist meine Frau?“, wiederholt Bernhard, ohne die Worte des Arztes zu verstehen oder auch nur zu beachten. „Wo ist sie? Wo ist Amelie? Sie war bei mir. Amelie war bei mir!“
Dr. Meinold setzt sich neben ihn auf die Bettkante, und er faltet die Hände. Die Angst erfasst Bernhard eiskalt.
„Ihre Frau hat es schlimmer erwischt als Sie“, sagt Dr. Meinold mit routinierter Sachlichkeit, die vielleicht seine Anspannung verstecken soll. Es funktioniert nicht. „Wir mussten sie in ein künstliches Koma versetzen. Es tut mir sehr leid. Sie ist am Leben, aber wir wissen nicht, ob sie wieder aufwachen wird.“
Was der Arzt danach sagt, ist nur ein fernes Rauschen in Bernhards Ohren. Die Taubheit um seinen Kopf nimmt zu, bis er kaum noch wahrnimmt, was um ihn passiert. Er hört sich selbst die Fragen der Polizei beantworten, hört ihre Erklärungen, aber nichts davon erreicht ihn.
Sogar als er das wahre Ausmaß des Albtraums erfährt, sind es nur hohle Worte in Bernhards Ohren.
Gestohlene oder verkaufte Daten seines Smartphones, so wurde der MIND, der Unsinkbare, überlistet. Aber nicht nur Bernhard allein ist betroffen. Im selben Moment wie sein Wagen versagten tausende andere MIND.
Ein Datendiebstahl der Superlative muss dahinterstehen. „Wie genau es dazu kam, können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Ermittlungen laufen, aber weitere Informationen dürfen wir auch an die Opfer nicht herausgeben.“
Stattdessen erklären die Polizisten ihm ungefragt, dass hunderte Menschen getötet und viele mehr verletzt wurden. Auf den Straßen herrschte fast zwei Tage lang blankes Chaos. Die Nachrichten sprechen noch immer von nichts anderem, und bis auf weiteres wurden selbstfahrende Wagen wieder von den Straßen verbannt.
Die Hintergründe seien unklar, sagt einer der Beamten. Vielleicht war es eine böswillige Tat, vielleicht sollte ein Diebstahl der MINDs ermöglicht werden, und beim Eindringen in das System wurde mehr Schaden angerichtet als beabsichtigt. Vielleicht waren es auch nur ein paar Jugendliche, die ihre Grenzen austesten wollten. „Früher haben Teenager grundlos Steine von Autobahnbrücken geworfen. Heute machen sie das Gleiche, nur auf technischer Ebene.“ Auch ein Anschlag wird nicht ausgeschlossen.

Irgendetwas hat tausende Wagen auf offener Straße plötzlich die Richtung wechseln und ungebremst in den Gegenverkehr, in Gräben oder gegen Bäume fahren lassen. Das war vor etwas über einer Woche.
Vor über einer Woche hat Amelie Julia zum ersten Mal in den Kindergarten gebracht. Vor über einer Woche hatten sie sich auf Spaghetti gefreut.
Bernhard versucht, an nichts zu denken, aber es gelingt ihm nicht. Er sieht Amelie und sich, wie sie im Kindergarten auftauchen und Julia ihnen lachend entgegenrennt. Es riecht nach italienischem Essen.
Und dann sieht er, wie es wirklich geschehen ist, obwohl er nicht dabei war. Er sieht, wie die Kinder nacheinander abgeholt werden und das Spielzimmer sich leert, bis niemand mehr da ist. Er sieht Julia, wie sie zögerlich zur Erzieherin geht. „Wann kommt Mama?“

Mit dem Handballen reibt Bernhard sich die Augen und blinzelt, als die Zahlen auf dem Bildschirm unscharf werden. Seit er die Stelle als leitender Verfahrenstechniker bei LifeOptimum PHARMA ergattert hat, sind Überstunden zur Regel geworden. Er und Christian sind die die Letzten in diesem Büro, und es wundert Bernhard nicht, als auch sein Kollege sich streckt und aufsteht.
„Feierabend“, sagt er und zieht seine Jacke an. „Du bleibst noch?“
Bernhard sieht ihn über die Schulter an. „Nur noch eine halbe Stunde oder so. Muss noch ein paar Mails machen.“
Eigentlich sind sie keine Kollegen mehr, wird Bernhard wieder einmal klar. Er hat sich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, jetzt Christians Vorgesetzter zu sein, und dem geht es offenbar genauso.
„Ich will echt nicht mit dir tauschen.“ Christian klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich weiß nicht, wie du das machst, mit Frau und zwei Kindern. Alina und ich bekommen erst in ein paar Wochen unser erstes, und ich finde es jetzt schon anstrengend.“
Müde lächelt Bernhard. „Das ergibt sich schon.“
„Klar. Ich will mich auch nicht beschweren. Bin echt froh, hier einen sicheren Job zu haben und mir über das Geld keine Gedanken machen zu müssen.“ Er grinst. „Trotzdem freue ich mich jetzt auf Alinas berühmte Lasagne und den Fernseher.“
„Dann komm gut nach Hause!“
„Klar. Und du mach nicht mehr zu lange. Nicht dass du noch einschläfst und mit dem Kopf auf dem Touchpad landest. Am Ende löschst du unsere Entwicklungsdaten oder verschickst sie an die Kunden oder so.“

Bernhard lacht rau. „Genau. Und dann müssen wir zumachen und haben ne Menge Freizeit. Klingt eigentlich gar nicht schlecht.“
„Das wäre ne Katastrophe“, sagt Christian, aber auch er lacht. „Ich sehe schon die Schlagzeile: Blödheit des leitenden Technikers zerstört milliardenschweres Unternehmen – Hunderte arbeitslos.“
Mit dem Ellenbogen versucht Bernhard, Christian in die Seite zu rammen, verfehlt ihn aber. „Sieh zu, dass du hier rauskommst.“
„Aye, Chef!“, ruft Christian, und schon ist er zur Tür raus.
Das Licht des Monitors schimmert über die silbernen Schreibtische und die darin eingelassenen Touch-Oberflächen. Aus Sicherheitsgründen reicht es nicht mehr, sich nur durch einen Fingerabdruck zu authentifizieren – stattdessen wird bei jeder Berührung die Identität des Mitarbeiters von Neuem bestätigt. Bernhard hat als einer der wenigen Zugriff auf alle Daten. Dank des Sicherheitssystems muss er sich jedoch nicht jedes Mal per Passwort einloggen, sondern das System überprüft seine Rechte, noch während er die Daten abfragt.
Eine Weile gibt Bernhard sich noch größte Mühe, ein paar Mails durchzugehen. Aber bald muss er mit brennenden Augen einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat. Er speichert den aktuellen Stand der Arbeit und ist dankbar, die Tür hinter sich zu schließen. Sofort verriegelt sie mit einem beruhigenden Klicken.

Mit dem Handballen reibt Bernhard sich die Augen und blinzelt, als die Zahlen auf dem Bildschirm unscharf werden. Seit er die Stelle als leitender Verfahrenstechniker bei LifeOptimum PHARMA ergattert hat, sind Überstunden zur Regel geworden. Er und Christian sind die die Letzten in diesem Büro, und es wundert Bernhard nicht, als auch sein Kollege sich streckt und aufsteht.
„Feierabend“, sagt er und zieht seine Jacke an. „Du bleibst noch?“
Bernhard sieht ihn über die Schulter an. „Nur noch eine halbe Stunde oder so. Muss noch ein paar Mails machen.“
Eigentlich sind sie keine Kollegen mehr, wird Bernhard wieder einmal klar. Er hat sich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, jetzt Christians Vorgesetzter zu sein, und dem geht es offenbar genauso.
„Ich will echt nicht mit dir tauschen.“ Christian klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich weiß nicht, wie du das machst, mit Frau und zwei Kindern. Alina und ich bekommen erst in ein paar Wochen unser erstes, und ich finde es jetzt schon anstrengend.“
Müde lächelt Bernhard. „Das ergibt sich schon.“
„Klar. Ich will mich auch nicht beschweren. Bin echt froh, hier einen sicheren Job zu haben und mir über das Geld keine Gedanken machen zu müssen.“ Er grinst. „Trotzdem freue ich mich jetzt auf Alinas berühmte Lasagne und den Fernseher.“
„Dann komm gut nach Hause!“
„Klar. Und du mach nicht mehr zu lange. Nicht dass du noch einschläfst und mit dem Kopf auf dem Touchpad landest. Am Ende löschst du unsere Entwicklungsdaten oder verschickst sie an die Kunden oder so.“
Bernhard lacht rau. „Genau. Und dann müssen wir zumachen und haben ne Menge Freizeit. Klingt eigentlich gar nicht schlecht.“
„Das wäre ne Katastrophe“, sagt Christian, aber auch er lacht. „Ich sehe schon die Schlagzeile: Blödheit des leitenden Technikers zerstört milliardenschweres Unternehmen – Hunderte arbeitslos.“
Mit dem Ellenbogen versucht Bernhard, Christian in die Seite zu rammen, verfehlt ihn aber. „Sieh zu, dass du hier rauskommst.“
„Aye, Chef!“, ruft Christian, und schon ist er zur Tür raus.
Das Licht des Monitors schimmert über die silbernen Schreibtische und die darin eingelassenen Touch-Oberflächen. Aus Sicherheitsgründen reicht es nicht mehr, sich nur durch einen Fingerabdruck zu authentifizieren – stattdessen wird bei jeder Berührung die Identität des Mitarbeiters von Neuem bestätigt. Bernhard hat als einer der wenigen Zugriff auf alle Daten. Dank des Sicherheitssystems muss er sich jedoch nicht jedes Mal per Passwort einloggen, sondern das System überprüft seine Rechte, noch während er die Daten abfragt.
Eine Weile gibt Bernhard sich noch größte Mühe, ein paar Mails durchzugehen. Aber bald muss er mit brennenden Augen einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat. Er speichert den aktuellen Stand der Arbeit und ist dankbar, die Tür hinter sich zu schließen. Sofort verriegelt sie mit einem beruhigenden Klicken.

Auf dem Weg nach draußen macht Bernhard trotzdem noch einen Umweg zu den Produktionsanlagen. Die Müdigkeit lässt ihn so oft blinzeln, dass es ihm schwerfällt, die Augen für die Identifizierung der Netzhaut offen zu halten. Manchmal wünscht er sich die altmodischen Schlüssel zurück.
In den Produktionsräumen herrscht noch immer das geschäftige Summen und Klackern, und Susanne, die Spätschicht hatte, fährt gerade die ersten Maschinen runter.
„Wurde das Temperiergerät in C3 repariert?“, fragt er.
Susanne nickt und rückt die Brille ein Stück nach oben. Zugleich hebt sich eine Augenbraue, als hätte ihr Finger sie ebenfalls verschoben. „Ich arbeite seit über dreißig Jahren hier, Bernhard. Natürlich läuft es wieder.“
Etwas besorgt mustert Bernhard Susannes graues Haar und die ironischen Lachfältchen um die Augen. Ihre ruppige Art lässt ihn manchmal vergessen, dass sie nicht mehr die Jüngste ist. „Wolltest du nicht kürzertreten?“ Eigentlich hatte sie angekündigt, keine Spätschichten mehr übernehmen zu wollen.
„Ab nächsten Monat dann“, sagt sie und zwinkert. „Wenn ich mich losreißen kann. Glaub mir, es wird schwer, weniger zu arbeiten, wenn man so daran gewöhnt ist.“
Bernhard wartet noch, bis die Anlagen schweigen, und begleitet Susanne auf dem Weg nach draußen. „Ich komme gern hierher“, sagt sie mit Blick auf das Betriebsgebäude. „Immer noch.“
Im Auto bricht die Müdigkeit endgültig über Bernhard herein. Er ist froh, dass die Zeiten vorbei sind, in denen der Fahrer die Augen nicht schließen durfte.
Bernhard blinzelt gegen das Licht an. Unangenehm hell. In seinem Schlafzimmer sollte es nicht hell sein.
Im nächsten Moment sitzt er aufrecht, das Smartphone in der Hand. 9:15 leuchtet ihm vom Display entgegen. Verdammt! Er muss gestern vergessen haben, den Wecker zu stellen.
Dann erst liest er, was unter der Uhrzeit steht. 12 entgangene Anrufe.
Rasch scrollt er durch die Liste. Alle kamen von LifeOptimum, alle paar Minuten seit heute Morgen um 7 Uhr.


Innerlich stöhnt er. Das ist nie ein gutes Zeichen. Irgendwer hat vermutlich Mist gebaut, und er muss es richten. Chef sein macht Spaß.
Rasch zieht er sich an, nimmt den Kaffee mit ins Auto und macht sich auf den Weg. Als er auf den Parkplatz fährt, fallen ihm die vielen Leute auf, die sich vor der Tür versammelt haben. Mit einem unguten Gefühl steigt er aus dem Wagen, entdeckt Christian in der Gruppe und geht mit eiligen Schritten zu ihm.
„Hey, was ist denn hier los? Habt ihr heute Morgen alle vergessen, eure Fingerkuppen für den Sensor mitzunehmen?“, fragt er in gespielt gut gelauntem Ton und hält seine Hände hoch. Dann sieht er Christians Gesicht. Er ist kreidebleich.
„Das ist nicht lustig.“ Er starrt Bernhard an. „der Sensor hat heute Morgen nicht funktioniert. Bei keinem. Er hat uns einfach nicht erkannt.“
„Dann wird er wohl kaputt sein. Habt ihr schon die zuständige Sicherheitsfirma gerufen?“
„Du verstehst das nicht. Das ist noch nicht alles.“
Bernhard lässt seinen Blick durch die Gruppe wandern. Der Schock steht jedem ins Gesicht geschrieben.
Langsam wendet er sich wieder Christian zu. „Was ist passiert?“, fragt er, als er den Ernst begreift.
„Keine Ahnung. Wir hören nur Bruchstücke“, sagt Christian und fährt sich mit der Hand durch das Haar. Offenbar tut er das schon den ganzen Morgen, denn es steht nach allen Seiten ab. „Es heißt, etwas wurde geklaut. Es wurde eingebrochen.“
„Eingebrochen?“ Bernhard lacht, aber es klingt sogar in seinen eigenen Ohren unruhig. „Wie soll das denn passiert sein? Wir haben mehr biometrische Verriegelungsmechanismen, als ich zählen kann. Fingerabdrücke, Netzhautscanns, Gesichtserkennung …“
Christian zuckt mit den Achseln, aber er sagt nichts mehr.

Später sitzt Bernhard einer Polizistin mit strengem Gesicht gegenüber. Noch sei nicht alles geklärt, sagt sie, aber die Ermittlungen würden bereits laufen. Die gestohlenen Daten seien offenbar an mehrere Konkurrenzunternehmen weitergeleitet worden. Dass die millionenteuren Anlagen weitestgehend zerstört wurden, war der kleinere Verlust.
„Wie konnten diese Leute in die Produktionsanlagen kommen?“ Bernhard fühlt sich sonderbar taub. „Und wie an die Datensätze?“
„Deswegen müssen wir mit Ihnen sprechen. Gestern ist jemand mit Ihren Zugangsdaten in die Server gelangt.“
Eigentlich hätte er erschüttert sein müssen, aber stattdessen lächelt er nervös. Das alles klingt zu skurril, um wahr zu sein. „Aber ich war nicht dort. Ich habe nichts gestohlen.“ Ein erschrockenes Lachen entwischt ihm. „Ich habe hier einen guten Job, ich wurde befördert! Warum sollte ich Daten stehlen? Warum sollte ich das Unternehmen zerstören wollen?“
„Wir haben Ihre Daten bereits geprüft“, versichert die Polizistin. Sie lächelt nicht. „Wir wissen, dass Sie gestern gegen 23 Uhr nach Hause gefahren und erst heute Morgen wiedergekommen sind. Es waren Ihre Daten, aber es waren nicht Sie. Sie sind nicht als Tatverdächtiger hier.“
„Wie meinen Sie das?“
„Bevor die Daten von LifeOptimum entwendet wurden, wurden Ihre Daten gestohlen. Vermutlich von einem Smartphone, einem Tablet oder Ähnlichem.“
„Nein, nein, das kann nicht sein“, sagt er und zieht sein Smartphone aus der Tasche. „Das hier habe ich schon seit Jahren. Es ist biometrisch geschützt.“
„Zeigen Sie mal.“ Mit spitzen Fingern nimmt die Polizistin das Smartphone entgegen. „IT-waSA 3IG MIS-T4Ke Ltd.?“
Stumm nickt Bernhard.
„Verdammt.“
„Was ist los?“
„In dieser Sache ermitteln wir schon seit einigen Wochen. Die Firma hat regelmäßig Kundendaten an Dritte verkauft. Wer im Einzelnen betroffen war, konnten wir allerdings nicht herausfinden.“ Sie verstummt abrupt. „Das dürfte ich Ihnen gar nicht erzählen, während der Fall läuft.“
„Was?“ Eine Welle von Panik und Wut überrollt Bernhard, als er das Smartphone auf dem Tisch anstarrt. „Dann … ist es meine Schuld?“
Christian versichert ihm später, er nehme es Bernhard nicht übel. „Das hätte jedem passieren können.“ Aber die Resignation in seinen Augen schmerzt mehr, als ein Vorwurf es getan hätte. Nächste Woche bekommen Christian und Alina ihr erstes Kind – und Christian ist arbeitslos.
Susanne winkt seine Entschuldigung mit zitternder Hand ab. Plötzlich wirkt sie so alt, wie sie ist. „Ich dachte nur, ich würde hier in Rente gehen.“ Ihr Lächeln sieht aus, als würde sie angestrengt die Tränen zurückhalten. „Wer nimmt denn jemanden in meinem Alter noch?“

Zwei Wochen später fährt Bernhard wieder bei LifeOptimum vor. Wie aus Gewohnheit kommt er immer noch täglich hierher, ohne zu wissen warum. Stundenlang sitzt er in seinem Wagen, starrt das Gebäude an und wartet darauf, dass drinnen die Lichter angehen oder jemand zum Rauchen heraus kommt. Bernhard bleibt allein.
Auf dem Armaturenbrett liegt sein Smartphone, das neue, das er sich kaum anzurühren traut. Er hat sich informiert, wie man es besser schützen kann. Ein wenig zu spät, denkt er, und schließt die Hand zur Faust.
Leitender Techniker zerstört milliardenschweres Unternehmen.

Ein paar Blumen welken auf dem Tisch vor sich hin, und die Stühle sind im passenden orangen Farbton gepolstert. Vor Bernhard stehen ein Kaffee und ein Teller Kekse aus der billigen Großpackung.
Das alles soll wohl eine Atmosphäre von Vertrauen oder Freundlichkeit schaffen, kann aber über die Umstände der Situation nicht hinwegtäuschen. Eine Vernehmung bei der Polizei, und wollen die Beamten dabei auch noch so rücksichtsvoll vorgehen, ist eben kein Zeitpunkt für Entspannung. Schon gar nicht an diesem Tag.
„Also, Herr Biom.“ Die Beamtin schiebt ihre dickgeränderte Brille etwas nach oben und sieht ihn mit durchdringendem Blick an. „Wir wissen, dass es auch für Sie eine schwere Situation sein muss. Deswegen sind wir dankbar, dass Sie sich bereiterklärt haben, einige Fragen zu beantworten. Verwandte oder Freunde hatten Sie keine unter den Opfern, wenn mein Kollege mich richtig informiert hat?“
Hinter Bernhard surrt eine Fliege, und er muss den Drang unterdrücken, sich nach ihr umzusehen. Er schüttelt den Kopf. „Nein, nur Kollegen. Keine Familie.“
„Natürlich.“ Die Polizistin schürzt die Lippen und nickt. „Es wäre ein Wunder gewesen, hätten sie beruflich keines der Opfer gekannt.“
Für einen Moment ist es still, die Fliege hat sich irgendwo niedergelassen. Bernhard sagt nichts.
„Gut. Ich weiß, Sie wurden dazu bereits befragt. Aber können Sie mir noch einmal grob erklären, worin Ihre Arbeit besteht? Ich dachte, die Infrastruktur sei inzwischen vollkommen technisiert und nur noch von Computern gesteuert. War es nicht das, was dieses schreckliche … Vorkommnis erst ermöglicht hat?“
Bernhard verzieht den Mund. Natürlich sind nur wenige Beamte auf diesen Bereich spezialisiert. Dass durchschnittliche Kriminelle längst nicht mehr mit Strumpfmasken getarnt und mit Pistolen bewaffnet sind, scheint bei der Justiz noch nicht angekommen zu sein.

Deswegen hat die Frau auch keine Ahnung von der Zusammenarbeit von Mensch und Technik. Klar, dass keiner mit passender Spezialausbildung die Befragung durchführt. Die haben gerade Dringlicheres zu tun.
„Ich bin direkt beim Bahnunternehmen angestellt“, erklärt er, „und habe koordinative Aufgaben. Planmäßig regeln spezielle Programme den Verkehr der Züge. Von den Geschwindigkeiten über die Weichenstellungen bis hin zum Rangieren. Aber es läuft selten alles nach Plan.“
„Also können diese Programme nicht auf alles reagieren.“
„Auch das ist in Arbeit, in ein paar Jahren sollte die Mehrheit der Stellen abgebaut sein. Aber die Umstellung erfolgt langsam. Deswegen sind ja auch noch immer einige Züge mit Lokführer besetzt. Noch braucht es Menschen.“ Bernhard hebt erklärend die Hand. „Oft ändert sich spontan etwas. Wenn es zu Verspätungen kommt, kann es schnell Probleme geben. Dann ist ein Gleis noch besetzt, obwohl eine andere Bahn bereits dafür vorgesehen war.“
Die Beamtin schiebt den Teller mit den Keksen etwas näher zu Bernhard, als fürchtet sie, er hätte ihn übersehen. „Koordinative Aufgaben“, wiederholt sie. „Sie greifen ein, wenn der geplante Ablauf gestört ist.“
„Normalerweise durch Menschen“, sagt er. „Das Einsteigen und Aussteigen dauert länger als geplant, irgendwo wirft sich jemand auf die Gleise. Manchmal ist auch das Wetter Schuld.“
„Gab es am betreffenden Tag einen solchen Fall, in dem Sie eingreifen mussten?“
„Klar. Den gibt es immer.“
„War sonst etwas Außergewöhnliches?“

Ein paar Blumen welken auf dem Tisch vor sich hin, und die Stühle sind im passenden orangen Farbton gepolstert. Vor Bernhard stehen ein Kaffee und ein Teller Kekse aus der billigen Großpackung.
Das alles soll wohl eine Atmosphäre von Vertrauen oder Freundlichkeit schaffen, kann aber über die Umstände der Situation nicht hinwegtäuschen. Eine Vernehmung bei der Polizei, und wollen die Beamten dabei auch noch so rücksichtsvoll vorgehen, ist eben kein Zeitpunkt für Entspannung. Schon gar nicht an diesem Tag.
„Also, Herr Biom.“ Die Beamtin schiebt ihre dickgeränderte Brille etwas nach oben und sieht ihn mit durchdringendem Blick an. „Wir wissen, dass es auch für Sie eine schwere Situation sein muss. Deswegen sind wir dankbar, dass Sie sich bereiterklärt haben, einige Fragen zu beantworten. Verwandte oder Freunde hatten Sie keine unter den Opfern, wenn mein Kollege mich richtig informiert hat?“
Hinter Bernhard surrt eine Fliege, und er muss den Drang unterdrücken, sich nach ihr umzusehen. Er schüttelt den Kopf. „Nein, nur Kollegen. Keine Familie.“
„Natürlich.“ Die Polizistin schürzt die Lippen und nickt. „Es wäre ein Wunder gewesen, hätten sie beruflich keines der Opfer gekannt.“
Für einen Moment ist es still, die Fliege hat sich irgendwo niedergelassen. Bernhard sagt nichts.
„Gut. Ich weiß, Sie wurden dazu bereits befragt. Aber können Sie mir noch einmal grob erklären, worin Ihre Arbeit besteht? Ich dachte, die Infrastruktur sei inzwischen vollkommen technisiert und nur noch von Computern gesteuert. War es nicht das, was dieses schreckliche … Vorkommnis erst ermöglicht hat?“
Bernhard verzieht den Mund. Natürlich sind nur wenige Beamte auf diesen Bereich spezialisiert. Dass durchschnittliche Kriminelle längst nicht mehr mit Strumpfmasken getarnt und mit Pistolen bewaffnet sind, scheint bei der Justiz noch nicht angekommen zu sein.
Deswegen hat die Frau auch keine Ahnung von der Zusammenarbeit von Mensch und Technik. Klar, dass keiner mit passender Spezialausbildung die Befragung durchführt. Die haben gerade Dringlicheres zu tun.
„Ich bin direkt beim Bahnunternehmen angestellt“, erklärt er, „und habe koordinative Aufgaben. Planmäßig regeln spezielle Programme den Verkehr der Züge. Von den Geschwindigkeiten über die Weichenstellungen bis hin zum Rangieren. Aber es läuft selten alles nach Plan.“
„Also können diese Programme nicht auf alles reagieren.“
„Auch das ist in Arbeit, in ein paar Jahren sollte die Mehrheit der Stellen abgebaut sein. Aber die Umstellung erfolgt langsam. Deswegen sind ja auch noch immer einige Züge mit Lokführer besetzt. Noch braucht es Menschen.“ Bernhard hebt erklärend die Hand. „Oft ändert sich spontan etwas. Wenn es zu Verspätungen kommt, kann es schnell Probleme geben. Dann ist ein Gleis noch besetzt, obwohl eine andere Bahn bereits dafür vorgesehen war.“
Die Beamtin schiebt den Teller mit den Keksen etwas näher zu Bernhard, als fürchtet sie, er hätte ihn übersehen. „Koordinative Aufgaben“, wiederholt sie. „Sie greifen ein, wenn der geplante Ablauf gestört ist.“
„Normalerweise durch Menschen“, sagt er. „Das Einsteigen und Aussteigen dauert länger als geplant, irgendwo wirft sich jemand auf die Gleise. Manchmal ist auch das Wetter Schuld.“
„Gab es am betreffenden Tag einen solchen Fall, in dem Sie eingreifen mussten?“
„Klar. Den gibt es immer.“
„War sonst etwas Außergewöhnliches?“

Im kleinen Häuschen im Bahnhof roch es nach altem Kaffee. Bernhard ließ seinen Blick über die verschiedenen Monitore schweifen, die einen Großteil der Wandfläche einnahmen. Die Zahlen auf ihnen änderten sich ständig, dazwischen standen kryptische Buchstabenfolgen. Inzwischen erkannte Bernhard darin eine angenehme Übersichtlichkeit. Als er hier zu arbeiten angefangen hatte, waren ihm die Informationen zum Bahnbetrieb wie eine fremde Sprache vorgekommen. Heute konnte er sie lesen wie die Tageszeitung.
Nacheinander ging er die Anzeigen durch und überprüfte ihre Richtigkeit. Im Bereich D loggte er sich aus dem manuellen Zugriff aus, weil die Störung im Betrieb korrigiert war.
Dann nahm er sein Smartphone und scrollte durch die letzten Nachrichten in der Familien-Gruppe. Julia hatte Bilder aus dem Zeltlager geschickt. Lächelnd sah er sie durch und schrieb dann kurz Amelie, dass er am Freitag die Spätschicht übernehmen würde.
„Nein. Es gab keine Vorwarnung, wenn Sie das meinen. Wer es schafft, in das System zu gelangen, wird aufpassen, unauffällig zu bleiben. Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Entweder es steckt jemand dahinter, der ein Genie auf seinem Gebiet ist, oder es gibt Verbündete innerhalb unseres Unternehmens. Alles ist biometrisch geschützt, ohne die Zugriffsrechte hat niemand die Autorität, den Verkehr zu beeinflussen.“
Die Beamtin nickt, aber Bernhard sieht ihr an, dass sie ihm kaum zuhört. „Es war also ein normaler Arbeitstag. Wann haben Sie bemerkt, dass etwas nicht stimmt?“
Ein Schauer überläuft Bernhard. Wie jedes Mal, wenn er wieder daran denkt. Er zwingt sich, einen gelassenen Ton beizubehalten. „Erst, als es bereits zu spät war. Vielleicht drei oder vier Sekunden, bevor es passierte.“
Drei oder vier Sekunden. Es reichte gerade, um Bernhard in betäubende Panik zu hüllen. Die sich veränderten Anzeigen, die Sprache, die er plötzlich nicht mehr lesen konnte. Und der Moment, als er dennoch erkannte, was dort auf den vertrauten Monitoren geschrieben stand.


Dann spürte er es, bevor er es hörte. Ein fernes Zittern, dessen zerstörerische Gewalt aus der Ferne in den Bahnhof drang.
Ein Schlag, ein ohrenbetäubendes Knirschen, das nichts ähnelte, was er je zuvor gehört hatte. Und es endete nicht. Das Kreischen von sich biegendem und berstendem Metall hielt an, und Bernhard presste sich die Hände auf die Ohren. Lange saß er so da, Minuten vielleicht. Als die Hände sinken ließ, klangen panische Schreie vom Bahnsteig herein.
„Was genau ist in dem Bahnhof passiert, in dem Sie gearbeitet haben?“
„Nicht im Bahnhof.“ Bernhard starrt auf die kahle Wand hinter der Beamtin. „Davor. Ein Zug fuhr gerade aus dem Bahnhof aus. Ein ICE sollte auf dem Nachbargleis einfahren. Das wäre nach Plan abgelaufen, ich musste nichts nachkorrigieren. Ich war nicht einmal eingeloggt. Aber statt auf dem Nachbargleis fuhr der ICE auf dem noch besetzten Gleis ein, und zwar mit deutlich über hundert Stundenkilometern. Der Zusammenstoß ereignete sich etwa siebenhundert Meter vom Bahnhof entfernt.“
Etwas später erlöst die Beamtin ihn. „Ich danke Ihnen für Ihr Gespräch. Ich denke nicht, dass wir Sie noch einmal behelligen müssen.“
„Danke.“ Das zumindest meint er ehrlich.
Bernhard hat diese Aussage schon mehrfach gemacht, und inzwischen klingt sie hohl in seinen eigenen Ohren. Auch die Nachrichten, denen seit einer Woche niemand entkommen kann, sind nur noch bedeutungslose Worte. Über fünfhundert Tote bei dem Unglück, das er miterlebt hat, dazu weitere fünfhundert Verletzte, die meisten davon schwer. Unter anderen Umständen hätte Bernhard sich gefragt, warum gerade er an diesem Tag hatte dort sein müssen.
Aber das war erst der Anfang.

Auf dem kurzen Weg zu seinem MIND eine Straße weiter schreien es ihm Zeitungen und Werbebildschirme von allen Seiten entgegen.
Zahl der Toten bei landesweiter Zug-Katastrophe steigt auf zehntausend.
Bernhard senkt den Blick auf den Bürgersteig. Eine dreckbeschmierte Zeitung liegt über den halben Weg verteilt. Immer mehr Hinweise: Es war ein Terrorakt.
Die bisher unbekannten Täter sind in die Systeme der Bahngesellschaft eingedrungen und haben an dreiundzwanzig Stellen zugleich die Kontrolle über Züge und Weichen übernommen.
Über einen Bildschirm zu Bernhards Rechten flackern Bilder eines Wagons, der aufgrund der viel zu hohen Geschwindigkeit aus den Gleisen geschleudert worden war. Danach folgt ein Amateurmitschnitt einer Kollision, aufgenommen von einer Brücke aus.
So leicht wie Spielzeugeisenbahnen werden die Züge beim Zusammenstoß aus ihren Gleisen gerissen, schieben sich ineinander, brechen.
Der Bildschirm ist stumm, aber Bernhard hört den Widerhall in seiner Erinnerung kreischen.
Das Schrillen der Türklingel lässt Bernhard aufschrecken. Amelie und die Kinder sind bei einem Geburtstag, ausnahmsweise hatte sie keine Einwände, dass er zuhause bleiben wollte. „Ich verstehe, wenn du Ruhe brauchst, es zu verarbeiten. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“
Bernhard zieht sein Smartphone und sieht auf der draußen installierten Kamera nach, wer ihn an einem Samstagnachmittag stört. Als er zwei Beamte in Uniform erkennt, runzelt er die Stirn. Mit dem Sensor seines Smartphones entriegelt er die Tür, noch ehe er aufsteht.
„Ihre Kollegin sagte mir, Sie hätten alle Informationen, die Sie von mir bräuchten“, sagt er, als sie kurz darauf am Küchentisch sitzen. „Ich habe dreimal ausgesagt.“
Der ältere der Beamten nickt. „Wir haben keine weiteren Fragen, was den Hergang des Geschehens betrifft.“
Der andere ist jünger, in den Dreißigern vielleicht, und wirkt aufgeschlossener. „Inzwischen haben wir weitestgehend Kenntnis darüber, wie es den Tätern gelingen konnte, die Systeme zu manipulieren. Sie haben sich offenbar fremder biometrischer Daten verschiedener Angestellter mit entsprechenden Zugriffsrechten bemächtigt.“
„Was? Wie meine Sie das?“
„Es tut mir leid, Herr Biom. Wir sind hier, um alle Geräte zu konfiszieren, die eventuell biometrische Daten von Ihnen gespeichert haben könnten. Smartphones, Tablets, alles in der Art.“
Perplex sieht Bernhard erst ihn, dann seinen Kollegen an. „Warten Sie. Was?“
Bedächtig stützt der Ältere die Ellenbogen auf den Tisch. „Mehrere Angestellte des Bahnunternehmens sind Opfer eines sDatendiebstahles geworden, den wir in diesem Ausmaß noch nicht erlebt haben. Vermutlich wurden die Daten einem Unternehmen entwendet, das diese routinemäßig speichert. Wir vermuten, dass es sich um die Firma „IT-waSA 3IG MIS-T4Ke Ltd.“ handelt. Sagt Ihnen das was?“

Instinktiv umklammert Bernhard das Smartphone in seiner Tasche. Einen Moment überkommt ihn der Drang, es vor den Beamten zu verstecken. Dann legt er es vor ihnen auf den Tisch. Seine Hände zittern.
Der junge Polizist wechselt einen Blick mit seinen Kollegen. Als er Bernhard ansieht, ist sein Blick traurig. „Es tut mir sehr leid, Herr Biom. Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe.“
Nein, denkt Bernhard und erinnert sich seine Aussagen. Es ist nichts Außergewöhnliches passiert. Es gab keine Vorwarnung.

- Private
-
„Ich habe immer noch kein gutes Gefühl dabei.“ Mit schmalen Lippen begutachtet Amelie das Preisschild auf der Windschutzscheibe des Autos.
Allerdings ist Bernhard der Meinung, dass diese Bezeichnung für den Wagen schon fast eine Beleidigung ist. Man nennt seinen Nachbarn nicht Homo Erectus, und man nennt den MIND Z4 nicht einfach Auto. Er ist die nächste Stufe der Evolution.
Beruhigend legt Bernhard seiner Frau eine Hand auf die Schulter. „Ich will ihn doch kaufen, weil ich kein gutes Gefühl bei der Schrottkarre habe, die bei uns rumsteht“, sagt er. „Wenn ich daran denke, dass du Julia jeden Tag damit zum Kindergarten fahren wirst, schlafe ich schlecht.“
Sie schüttelt den Kopf, ohne den misstrauischen Blick von den stahlgrauen Felgen zu lassen. „Ich möchte die Kontrolle einfach nicht diesem Ding überlassen. Warum muss seit Neuestem alles automatisiert werden? Die Menschen sitzen selbst am Steuer, seit das verdammte Auto erfunden wurde.“
„Und wie oft sind Unfälle passiert?“, fragt Bernhard und legt seinen Arm nun ganz um sie. „Ich weiß, dass du vorsichtig fährst. Aber auch du kannst nur so schnell reagieren, wie es der menschliche Körper eben zulässt. Diese Technik ist um … keine Ahnung, das Hundertfache schneller? Es wird in Zukunft so etwas wie Autounfälle nicht mehr geben.“
„Es hieß auch, die Titanic sei unsinkbar.“
Seufzend legt Bernhard ihr einen Finger unter das Kinn und hebt sanft ihr Gesicht, sodass sie ihn ansehen muss. „Ich verspreche dir“, erklärt er feierlich, „dass dieser Wagen nicht mit einem unerwarteten Eisberg kollidieren wird.“
„Du bist unmöglich.“ Das Lachen kann die Sorgen nicht ganz aus ihrem Gesicht vertreiben, aber es ist ein Anfang.
Letztendlich hat sich Amelie noch mit allem angefreundet, was Bernhard an unnützem Kram, wie sie es nennt, angeschleppt hat. Sie besitzt inzwischen das gleiche Smartphone wie er, und die manuelle Fernbedienung, auf die sie bestanden hat, liegt seit Wochen unbenutzt auf der Kommode. Die Sprachsteuerung funktioniert eben auch, wenn man die Hände gerade braucht, um Julia von der Schokolade fernzuhalten.
Mit dem MIND Z4 wird es sich genauso entwickeln. Die ersten paar Wochen wird Amelie vielleicht noch Schwierigkeiten haben, sich an die zusätzliche Entspannung zu gewöhnen – bis zu dem Tag, an dem sie so selbstverständlich die Vorzüge der Technik genießt, als hätte es die heutige Diskussion nie gegeben.
„Was meinst du?“, fragt Bernhard. „Kaufen wir ihn?“
Amelie schürzt die Lippen. „Keine Eisberge?“
„Keine Eisberge. Versprochen.“
„Ich habe immer noch kein gutes Gefühl dabei.“ Mit schmalen Lippen begutachtet Amelie das Preisschild auf der Windschutzscheibe des Autos.
Allerdings ist Bernhard der Meinung, dass diese Bezeichnung für den Wagen schon fast eine Beleidigung ist. Man nennt seinen Nachbarn nicht Homo Erectus, und man nennt den MIND Z4 nicht einfach Auto. Er ist die nächste Stufe der Evolution.
Beruhigend legt Bernhard seiner Frau eine Hand auf die Schulter. „Ich will ihn doch kaufen, weil ich kein gutes Gefühl bei der Schrottkarre habe, die bei uns rumsteht“, sagt er. „Wenn ich daran denke, dass du Julia jeden Tag damit zum Kindergarten fahren wirst, schlafe ich schlecht.“
Sie schüttelt den Kopf, ohne den misstrauischen Blick von den stahlgrauen Felgen zu lassen. „Ich möchte die Kontrolle einfach nicht diesem Ding überlassen. Warum muss seit Neuestem alles automatisiert werden? Die Menschen sitzen selbst am Steuer, seit das verdammte Auto erfunden wurde.“
„Und wie oft sind Unfälle passiert?“, fragt Bernhard und legt seinen Arm nun ganz um sie. „Ich weiß, dass du vorsichtig fährst. Aber auch du kannst nur so schnell reagieren, wie es der menschliche Körper eben zulässt. Diese Technik ist um … keine Ahnung, das Hundertfache schneller? Es wird in Zukunft so etwas wie Autounfälle nicht mehr geben.“
„Es hieß auch, die Titanic sei unsinkbar.“
Seufzend legt Bernhard ihr einen Finger unter das Kinn und hebt sanft ihr Gesicht, sodass sie ihn ansehen muss. „Ich verspreche dir“, erklärt er feierlich, „dass dieser Wagen nicht mit einem unerwarteten Eisberg kollidieren wird.“
„Du bist unmöglich.“ Das Lachen kann die Sorgen nicht ganz aus ihrem Gesicht vertreiben, aber es ist ein Anfang.
Letztendlich hat sich Amelie noch mit allem angefreundet, was Bernhard an unnützem Kram, wie sie es nennt, angeschleppt hat. Sie besitzt inzwischen das gleiche Smartphone wie er, und die manuelle Fernbedienung, auf die sie bestanden hat, liegt seit Wochen unbenutzt auf der Kommode. Die Sprachsteuerung funktioniert eben auch, wenn man die Hände gerade braucht, um Julia von der Schokolade fernzuhalten.
Mit dem MIND Z4 wird es sich genauso entwickeln. Die ersten paar Wochen wird Amelie vielleicht noch Schwierigkeiten haben, sich an die zusätzliche Entspannung zu gewöhnen – bis zu dem Tag, an dem sie so selbstverständlich die Vorzüge der Technik genießt, als hätte es die heutige Diskussion nie gegeben.
„Was meinst du?“, fragt Bernhard. „Kaufen wir ihn?“
Amelie schürzt die Lippen. „Keine Eisberge?“
„Keine Eisberge. Versprochen.“
„Und sie war wirklich nicht aufgeregt?“, fragt Bernhard. Mit Amelie an seiner Seite schlendert er die Einfahrt hinunter und zum brandneuen MIND Z4. Es ist Julias erster Kindergartentag, und Bernhard ist extra früher aus der Arbeit gekommen, um sie zu überraschen und mit ihrer Mutter gemeinsam zum Abholen aufzutauchen.
„Naja, etwas aufgeregt war sie sicher. Aber mehr auf die gute Art.“ Sie zuckt mit den Schultern und lächelt. „Um ehrlich zu sein, hatte ich mir fast ein bisschen mehr Abschiedsschmerz erhofft. Stattdessen ist sie einfach zu den anderen zum Spielen gerannt. Bin ich sehr egoistisch?“
„Und wie“, sagt Bernhard. „Ein Ungeheuer in Menschengestalt.“
Er ist zu langsam, um ihrem Klaps auf seinen Hinterkopf auszuweichen. Trotzdem kann Amelie ihm nicht entkommen, als er sie in die Arme schließt und ihr Lachen an seiner Brust erstickt.
Auf der zentralen Schlüssel-App seines Smartphones wählt Bernhard den MIND aus. Als der Sensor seinen Daumen erkennt, entriegeln die Türen mit einem leisen Klicken. Dass ein Diebstahl mit gestohlenen oder kopierten Schlüsseln nicht mehr möglich ist, ist nur ein weiterer Vorteil, für den sich der Kauf schon jetzt gelohnt hat.
Am MIND angekommen lässt Amelie sich auf dem Beifahrersitz nieder. Bernhard legt den Gurt an, und als dieser seinen Herzschlag erkennt, startet der Wagen – zu erkennen nur am Aufleuchten der Anzeigen, denn der MIND ist flüsterleise.
Auf dem Handy sucht Bernhard den Kindergarten und weist den Wagen dann per App an, die passende Route zu wählen. Es ist nur eine Fahrt von einer Viertelstunde, aber sich um nichts kümmern zu müssen, hat trotzdem seine Vorteile.
Bernhard beugt sich zu Amelie hinüber und küsst sie. Überrascht lächelt sie ihn an. „Wofür war der denn?“
„Für gar nichts“, sagt er und grinst. „Einfach, weil ich es kann.“ Inzwischen gleitet der MIND schon mit den voreingestellten 90 km/h über die Landstraße.
„Eigentlich“, sagt er eine Weile später, „könnten wir heute Abend essen gehen. Zur Feier des Tages. Und Julia liebt die Spaghetti bei Riccardos.“
„Schieb’s nicht auf Julia. Du bist es, der die Spaghetti liebt.“ Wissend grinst sie ihn an.
„Erwischt.“ Wieder beugt er sich zu ihr, aber als er sie küssen will, streift etwas sein Knie. Eine kurze, schnelle Bewegung, und für den Bruchteil einer Sekunde weiß er, dass es das Lenkrad war. Dann schleudert das Auto herum. Instinktiv streckt er den Arm, will sich an etwas festhalten, hört Amelie keuchen. Bevor er die Augen schließen kann, wird es dunkel.
Das Piepen erklingt so regelmäßig, dass es ihn beruhigen müsste. Stattdessen erinnert es ihn an unzählige langweilige Arztserien, die Amelie und er so lächerlich finden. Piep. Piep. Piep.
Sein Kopf fühlt sich an wie nach einem Schnupfen, dumpf und taub. Bernhard blinzelt. Das Licht ist kalt und sonderbar leblos.
„Dr. Meinold, ich glaube, er wacht auf.“
Bernhard stöhnt. „Ganz ruhig“, sagt eine junge, weibliche Stimme. „Lassen Sie sich Zeit.“ Und dann, in eine andere Richtung: „Doktor?“
Kurz darauf steht ein Mann mit grauen Schläfen und dünner Brille vor ihm. „Herr Biom, schön dass Sie wieder bei uns sind. Ich bin Dr. Meinold. Wie geht es Ihnen?“
„Gut.“ Er schüttelt den Kopf. „Ich weiß nicht.“ Die Erinnerung kommt nur langsam zurück, Bruchstück für Bruchstück, Sekunde für Sekunde. Sonne. Amelie, Spaghetti, das Lenkrad. Schwärze.
Dann stürzt die Wahrheit über ihm zusammen. „Was ist passiert?“ Mit den Ellenbogen will er sich aufstützen, aber eine Schwester hält ihn auf den Kissen. „Wo ist meine Frau?“
„Sie beide hatten einen Unfall“, erklärt der Arzt quälend langsam. Seine Finger streichen unentwegt über das Klemmbrett in seiner Hand. „Über die Umstände wird die Polizei mit Ihnen sprechen wollen, wir haben die zuständigen Beamten bereits benachrichtigt.“
„Wo ist meine Frau?“, wiederholt Bernhard, ohne die Worte des Arztes zu verstehen oder auch nur zu beachten. „Wo ist sie? Wo ist Amelie? Sie war bei mir. Amelie war bei mir!“
Dr. Meinold setzt sich neben ihn auf die Bettkante, und er faltet die Hände. Die Angst erfasst Bernhard eiskalt.
„Ihre Frau hat es schlimmer erwischt als Sie“, sagt Dr. Meinold mit routinierter Sachlichkeit, die vielleicht seine Anspannung verstecken soll. Es funktioniert nicht. „Wir mussten sie in ein künstliches Koma versetzen. Es tut mir sehr leid. Sie ist am Leben, aber wir wissen nicht, ob sie wieder aufwachen wird.“
Was der Arzt danach sagt, ist nur ein fernes Rauschen in Bernhards Ohren. Die Taubheit um seinen Kopf nimmt zu, bis er kaum noch wahrnimmt, was um ihn passiert. Er hört sich selbst die Fragen der Polizei beantworten, hört ihre Erklärungen, aber nichts davon erreicht ihn.
Sogar als er das wahre Ausmaß des Albtraums erfährt, sind es nur hohle Worte in Bernhards Ohren.
Gestohlene oder verkaufte Daten seines Smartphones, so wurde der MIND, der Unsinkbare, überlistet. Aber nicht nur Bernhard allein ist betroffen. Im selben Moment wie sein Wagen versagten tausende andere MIND.
Ein Datendiebstahl der Superlative muss dahinterstehen. „Wie genau es dazu kam, können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Ermittlungen laufen, aber weitere Informationen dürfen wir auch an die Opfer nicht herausgeben.“
Stattdessen erklären die Polizisten ihm ungefragt, dass hunderte Menschen getötet und viele mehr verletzt wurden. Auf den Straßen herrschte fast zwei Tage lang blankes Chaos. Die Nachrichten sprechen noch immer von nichts anderem, und bis auf weiteres wurden selbstfahrende Wagen wieder von den Straßen verbannt.
Die Hintergründe seien unklar, sagt einer der Beamten. Vielleicht war es eine böswillige Tat, vielleicht sollte ein Diebstahl der MINDs ermöglicht werden, und beim Eindringen in das System wurde mehr Schaden angerichtet als beabsichtigt. Vielleicht waren es auch nur ein paar Jugendliche, die ihre Grenzen austesten wollten. „Früher haben Teenager grundlos Steine von Autobahnbrücken geworfen. Heute machen sie das Gleiche, nur auf technischer Ebene.“ Auch ein Anschlag wird nicht ausgeschlossen.
Irgendetwas hat tausende Wagen auf offener Straße plötzlich die Richtung wechseln und ungebremst in den Gegenverkehr, in Gräben oder gegen Bäume fahren lassen. Das war vor etwas über einer Woche.
Vor über einer Woche hat Amelie Julia zum ersten Mal in den Kindergarten gebracht. Vor über einer Woche hatten sie sich auf Spaghetti gefreut.
Bernhard versucht, an nichts zu denken, aber es gelingt ihm nicht. Er sieht Amelie und sich, wie sie im Kindergarten auftauchen und Julia ihnen lachend entgegenrennt. Es riecht nach italienischem Essen.
Und dann sieht er, wie es wirklich geschehen ist, obwohl er nicht dabei war. Er sieht, wie die Kinder nacheinander abgeholt werden und das Spielzimmer sich leert, bis niemand mehr da ist. Er sieht Julia, wie sie zögerlich zur Erzieherin geht. „Wann kommt Mama?“
- Business
-
Mit dem Handballen reibt Bernhard sich die Augen und blinzelt, als die Zahlen auf dem Bildschirm unscharf werden. Seit er die Stelle als leitender Verfahrenstechniker bei LifeOptimum PHARMA ergattert hat, sind Überstunden zur Regel geworden. Er und Christian sind die die Letzten in diesem Büro, und es wundert Bernhard nicht, als auch sein Kollege sich streckt und aufsteht.
„Feierabend“, sagt er und zieht seine Jacke an. „Du bleibst noch?“
Bernhard sieht ihn über die Schulter an. „Nur noch eine halbe Stunde oder so. Muss noch ein paar Mails machen.“
Eigentlich sind sie keine Kollegen mehr, wird Bernhard wieder einmal klar. Er hat sich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, jetzt Christians Vorgesetzter zu sein, und dem geht es offenbar genauso.
„Ich will echt nicht mit dir tauschen.“ Christian klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich weiß nicht, wie du das machst, mit Frau und zwei Kindern. Alina und ich bekommen erst in ein paar Wochen unser erstes, und ich finde es jetzt schon anstrengend.“
Müde lächelt Bernhard. „Das ergibt sich schon.“
„Klar. Ich will mich auch nicht beschweren. Bin echt froh, hier einen sicheren Job zu haben und mir über das Geld keine Gedanken machen zu müssen.“ Er grinst. „Trotzdem freue ich mich jetzt auf Alinas berühmte Lasagne und den Fernseher.“
„Dann komm gut nach Hause!“
„Klar. Und du mach nicht mehr zu lange. Nicht dass du noch einschläfst und mit dem Kopf auf dem Touchpad landest. Am Ende löschst du unsere Entwicklungsdaten oder verschickst sie an die Kunden oder so.“
Bernhard lacht rau. „Genau. Und dann müssen wir zumachen und haben ne Menge Freizeit. Klingt eigentlich gar nicht schlecht.“
„Das wäre ne Katastrophe“, sagt Christian, aber auch er lacht. „Ich sehe schon die Schlagzeile: Blödheit des leitenden Technikers zerstört milliardenschweres Unternehmen – Hunderte arbeitslos.“
Mit dem Ellenbogen versucht Bernhard, Christian in die Seite zu rammen, verfehlt ihn aber. „Sieh zu, dass du hier rauskommst.“
„Aye, Chef!“, ruft Christian, und schon ist er zur Tür raus.
Das Licht des Monitors schimmert über die silbernen Schreibtische und die darin eingelassenen Touch-Oberflächen. Aus Sicherheitsgründen reicht es nicht mehr, sich nur durch einen Fingerabdruck zu authentifizieren – stattdessen wird bei jeder Berührung die Identität des Mitarbeiters von Neuem bestätigt. Bernhard hat als einer der wenigen Zugriff auf alle Daten. Dank des Sicherheitssystems muss er sich jedoch nicht jedes Mal per Passwort einloggen, sondern das System überprüft seine Rechte, noch während er die Daten abfragt.
Eine Weile gibt Bernhard sich noch größte Mühe, ein paar Mails durchzugehen. Aber bald muss er mit brennenden Augen einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat. Er speichert den aktuellen Stand der Arbeit und ist dankbar, die Tür hinter sich zu schließen. Sofort verriegelt sie mit einem beruhigenden Klicken.
Mit dem Handballen reibt Bernhard sich die Augen und blinzelt, als die Zahlen auf dem Bildschirm unscharf werden. Seit er die Stelle als leitender Verfahrenstechniker bei LifeOptimum PHARMA ergattert hat, sind Überstunden zur Regel geworden. Er und Christian sind die die Letzten in diesem Büro, und es wundert Bernhard nicht, als auch sein Kollege sich streckt und aufsteht.
„Feierabend“, sagt er und zieht seine Jacke an. „Du bleibst noch?“
Bernhard sieht ihn über die Schulter an. „Nur noch eine halbe Stunde oder so. Muss noch ein paar Mails machen.“
Eigentlich sind sie keine Kollegen mehr, wird Bernhard wieder einmal klar. Er hat sich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, jetzt Christians Vorgesetzter zu sein, und dem geht es offenbar genauso.
„Ich will echt nicht mit dir tauschen.“ Christian klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich weiß nicht, wie du das machst, mit Frau und zwei Kindern. Alina und ich bekommen erst in ein paar Wochen unser erstes, und ich finde es jetzt schon anstrengend.“
Müde lächelt Bernhard. „Das ergibt sich schon.“
„Klar. Ich will mich auch nicht beschweren. Bin echt froh, hier einen sicheren Job zu haben und mir über das Geld keine Gedanken machen zu müssen.“ Er grinst. „Trotzdem freue ich mich jetzt auf Alinas berühmte Lasagne und den Fernseher.“
„Dann komm gut nach Hause!“
„Klar. Und du mach nicht mehr zu lange. Nicht dass du noch einschläfst und mit dem Kopf auf dem Touchpad landest. Am Ende löschst du unsere Entwicklungsdaten oder verschickst sie an die Kunden oder so.“
Bernhard lacht rau. „Genau. Und dann müssen wir zumachen und haben ne Menge Freizeit. Klingt eigentlich gar nicht schlecht.“
„Das wäre ne Katastrophe“, sagt Christian, aber auch er lacht. „Ich sehe schon die Schlagzeile: Blödheit des leitenden Technikers zerstört milliardenschweres Unternehmen – Hunderte arbeitslos.“
Mit dem Ellenbogen versucht Bernhard, Christian in die Seite zu rammen, verfehlt ihn aber. „Sieh zu, dass du hier rauskommst.“
„Aye, Chef!“, ruft Christian, und schon ist er zur Tür raus.
Das Licht des Monitors schimmert über die silbernen Schreibtische und die darin eingelassenen Touch-Oberflächen. Aus Sicherheitsgründen reicht es nicht mehr, sich nur durch einen Fingerabdruck zu authentifizieren – stattdessen wird bei jeder Berührung die Identität des Mitarbeiters von Neuem bestätigt. Bernhard hat als einer der wenigen Zugriff auf alle Daten. Dank des Sicherheitssystems muss er sich jedoch nicht jedes Mal per Passwort einloggen, sondern das System überprüft seine Rechte, noch während er die Daten abfragt.
Eine Weile gibt Bernhard sich noch größte Mühe, ein paar Mails durchzugehen. Aber bald muss er mit brennenden Augen einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat. Er speichert den aktuellen Stand der Arbeit und ist dankbar, die Tür hinter sich zu schließen. Sofort verriegelt sie mit einem beruhigenden Klicken.
Auf dem Weg nach draußen macht Bernhard trotzdem noch einen Umweg zu den Produktionsanlagen. Die Müdigkeit lässt ihn so oft blinzeln, dass es ihm schwerfällt, die Augen für die Identifizierung der Netzhaut offen zu halten. Manchmal wünscht er sich die altmodischen Schlüssel zurück.
In den Produktionsräumen herrscht noch immer das geschäftige Summen und Klackern, und Susanne, die Spätschicht hatte, fährt gerade die ersten Maschinen runter.
„Wurde das Temperiergerät in C3 repariert?“, fragt er.
Susanne nickt und rückt die Brille ein Stück nach oben. Zugleich hebt sich eine Augenbraue, als hätte ihr Finger sie ebenfalls verschoben. „Ich arbeite seit über dreißig Jahren hier, Bernhard. Natürlich läuft es wieder.“
Etwas besorgt mustert Bernhard Susannes graues Haar und die ironischen Lachfältchen um die Augen. Ihre ruppige Art lässt ihn manchmal vergessen, dass sie nicht mehr die Jüngste ist. „Wolltest du nicht kürzertreten?“ Eigentlich hatte sie angekündigt, keine Spätschichten mehr übernehmen zu wollen.
„Ab nächsten Monat dann“, sagt sie und zwinkert. „Wenn ich mich losreißen kann. Glaub mir, es wird schwer, weniger zu arbeiten, wenn man so daran gewöhnt ist.“
Bernhard wartet noch, bis die Anlagen schweigen, und begleitet Susanne auf dem Weg nach draußen. „Ich komme gern hierher“, sagt sie mit Blick auf das Betriebsgebäude. „Immer noch.“
Im Auto bricht die Müdigkeit endgültig über Bernhard herein. Er ist froh, dass die Zeiten vorbei sind, in denen der Fahrer die Augen nicht schließen durfte.
Bernhard blinzelt gegen das Licht an. Unangenehm hell. In seinem Schlafzimmer sollte es nicht hell sein.
Im nächsten Moment sitzt er aufrecht, das Smartphone in der Hand. 9:15 leuchtet ihm vom Display entgegen. Verdammt! Er muss gestern vergessen haben, den Wecker zu stellen.
Dann erst liest er, was unter der Uhrzeit steht. 12 entgangene Anrufe.
Rasch scrollt er durch die Liste. Alle kamen von LifeOptimum, alle paar Minuten seit heute Morgen um 7 Uhr.
Innerlich stöhnt er. Das ist nie ein gutes Zeichen. Irgendwer hat vermutlich Mist gebaut, und er muss es richten. Chef sein macht Spaß.
Rasch zieht er sich an, nimmt den Kaffee mit ins Auto und macht sich auf den Weg. Als er auf den Parkplatz fährt, fallen ihm die vielen Leute auf, die sich vor der Tür versammelt haben. Mit einem unguten Gefühl steigt er aus dem Wagen, entdeckt Christian in der Gruppe und geht mit eiligen Schritten zu ihm.
„Hey, was ist denn hier los? Habt ihr heute Morgen alle vergessen, eure Fingerkuppen für den Sensor mitzunehmen?“, fragt er in gespielt gut gelauntem Ton und hält seine Hände hoch. Dann sieht er Christians Gesicht. Er ist kreidebleich.
„Das ist nicht lustig.“ Er starrt Bernhard an. „der Sensor hat heute Morgen nicht funktioniert. Bei keinem. Er hat uns einfach nicht erkannt.“
„Dann wird er wohl kaputt sein. Habt ihr schon die zuständige Sicherheitsfirma gerufen?“
„Du verstehst das nicht. Das ist noch nicht alles.“
Bernhard lässt seinen Blick durch die Gruppe wandern. Der Schock steht jedem ins Gesicht geschrieben.
Langsam wendet er sich wieder Christian zu. „Was ist passiert?“, fragt er, als er den Ernst begreift.
„Keine Ahnung. Wir hören nur Bruchstücke“, sagt Christian und fährt sich mit der Hand durch das Haar. Offenbar tut er das schon den ganzen Morgen, denn es steht nach allen Seiten ab. „Es heißt, etwas wurde geklaut. Es wurde eingebrochen.“
„Eingebrochen?“ Bernhard lacht, aber es klingt sogar in seinen eigenen Ohren unruhig. „Wie soll das denn passiert sein? Wir haben mehr biometrische Verriegelungsmechanismen, als ich zählen kann. Fingerabdrücke, Netzhautscanns, Gesichtserkennung …“
Christian zuckt mit den Achseln, aber er sagt nichts mehr.
Später sitzt Bernhard einer Polizistin mit strengem Gesicht gegenüber. Noch sei nicht alles geklärt, sagt sie, aber die Ermittlungen würden bereits laufen. Die gestohlenen Daten seien offenbar an mehrere Konkurrenzunternehmen weitergeleitet worden. Dass die millionenteuren Anlagen weitestgehend zerstört wurden, war der kleinere Verlust.
„Wie konnten diese Leute in die Produktionsanlagen kommen?“ Bernhard fühlt sich sonderbar taub. „Und wie an die Datensätze?“
„Deswegen müssen wir mit Ihnen sprechen. Gestern ist jemand mit Ihren Zugangsdaten in die Server gelangt.“
Eigentlich hätte er erschüttert sein müssen, aber stattdessen lächelt er nervös. Das alles klingt zu skurril, um wahr zu sein. „Aber ich war nicht dort. Ich habe nichts gestohlen.“ Ein erschrockenes Lachen entwischt ihm. „Ich habe hier einen guten Job, ich wurde befördert! Warum sollte ich Daten stehlen? Warum sollte ich das Unternehmen zerstören wollen?“
„Wir haben Ihre Daten bereits geprüft“, versichert die Polizistin. Sie lächelt nicht. „Wir wissen, dass Sie gestern gegen 23 Uhr nach Hause gefahren und erst heute Morgen wiedergekommen sind. Es waren Ihre Daten, aber es waren nicht Sie. Sie sind nicht als Tatverdächtiger hier.“
„Wie meinen Sie das?“
„Bevor die Daten von LifeOptimum entwendet wurden, wurden Ihre Daten gestohlen. Vermutlich von einem Smartphone, einem Tablet oder Ähnlichem.“
„Nein, nein, das kann nicht sein“, sagt er und zieht sein Smartphone aus der Tasche. „Das hier habe ich schon seit Jahren. Es ist biometrisch geschützt.“
„Zeigen Sie mal.“ Mit spitzen Fingern nimmt die Polizistin das Smartphone entgegen. „IT-waSA 3IG MIS-T4Ke Ltd.?“
Stumm nickt Bernhard.
„Verdammt.“
„Was ist los?“
„In dieser Sache ermitteln wir schon seit einigen Wochen. Die Firma hat regelmäßig Kundendaten an Dritte verkauft. Wer im Einzelnen betroffen war, konnten wir allerdings nicht herausfinden.“ Sie verstummt abrupt. „Das dürfte ich Ihnen gar nicht erzählen, während der Fall läuft.“
„Was?“ Eine Welle von Panik und Wut überrollt Bernhard, als er das Smartphone auf dem Tisch anstarrt. „Dann … ist es meine Schuld?“
Christian versichert ihm später, er nehme es Bernhard nicht übel. „Das hätte jedem passieren können.“ Aber die Resignation in seinen Augen schmerzt mehr, als ein Vorwurf es getan hätte. Nächste Woche bekommen Christian und Alina ihr erstes Kind – und Christian ist arbeitslos.
Susanne winkt seine Entschuldigung mit zitternder Hand ab. Plötzlich wirkt sie so alt, wie sie ist. „Ich dachte nur, ich würde hier in Rente gehen.“ Ihr Lächeln sieht aus, als würde sie angestrengt die Tränen zurückhalten. „Wer nimmt denn jemanden in meinem Alter noch?“
Zwei Wochen später fährt Bernhard wieder bei LifeOptimum vor. Wie aus Gewohnheit kommt er immer noch täglich hierher, ohne zu wissen warum. Stundenlang sitzt er in seinem Wagen, starrt das Gebäude an und wartet darauf, dass drinnen die Lichter angehen oder jemand zum Rauchen heraus kommt. Bernhard bleibt allein.
Auf dem Armaturenbrett liegt sein Smartphone, das neue, das er sich kaum anzurühren traut. Er hat sich informiert, wie man es besser schützen kann. Ein wenig zu spät, denkt er, und schließt die Hand zur Faust.
Leitender Techniker zerstört milliardenschweres Unternehmen.
- Public
-
Ein paar Blumen welken auf dem Tisch vor sich hin, und die Stühle sind im passenden orangen Farbton gepolstert. Vor Bernhard stehen ein Kaffee und ein Teller Kekse aus der billigen Großpackung.
Das alles soll wohl eine Atmosphäre von Vertrauen oder Freundlichkeit schaffen, kann aber über die Umstände der Situation nicht hinwegtäuschen. Eine Vernehmung bei der Polizei, und wollen die Beamten dabei auch noch so rücksichtsvoll vorgehen, ist eben kein Zeitpunkt für Entspannung. Schon gar nicht an diesem Tag.
„Also, Herr Biom.“ Die Beamtin schiebt ihre dickgeränderte Brille etwas nach oben und sieht ihn mit durchdringendem Blick an. „Wir wissen, dass es auch für Sie eine schwere Situation sein muss. Deswegen sind wir dankbar, dass Sie sich bereiterklärt haben, einige Fragen zu beantworten. Verwandte oder Freunde hatten Sie keine unter den Opfern, wenn mein Kollege mich richtig informiert hat?“
Hinter Bernhard surrt eine Fliege, und er muss den Drang unterdrücken, sich nach ihr umzusehen. Er schüttelt den Kopf. „Nein, nur Kollegen. Keine Familie.“
„Natürlich.“ Die Polizistin schürzt die Lippen und nickt. „Es wäre ein Wunder gewesen, hätten sie beruflich keines der Opfer gekannt.“
Für einen Moment ist es still, die Fliege hat sich irgendwo niedergelassen. Bernhard sagt nichts.
„Gut. Ich weiß, Sie wurden dazu bereits befragt. Aber können Sie mir noch einmal grob erklären, worin Ihre Arbeit besteht? Ich dachte, die Infrastruktur sei inzwischen vollkommen technisiert und nur noch von Computern gesteuert. War es nicht das, was dieses schreckliche … Vorkommnis erst ermöglicht hat?“
Bernhard verzieht den Mund. Natürlich sind nur wenige Beamte auf diesen Bereich spezialisiert. Dass durchschnittliche Kriminelle längst nicht mehr mit Strumpfmasken getarnt und mit Pistolen bewaffnet sind, scheint bei der Justiz noch nicht angekommen zu sein.
Deswegen hat die Frau auch keine Ahnung von der Zusammenarbeit von Mensch und Technik. Klar, dass keiner mit passender Spezialausbildung die Befragung durchführt. Die haben gerade Dringlicheres zu tun.
„Ich bin direkt beim Bahnunternehmen angestellt“, erklärt er, „und habe koordinative Aufgaben. Planmäßig regeln spezielle Programme den Verkehr der Züge. Von den Geschwindigkeiten über die Weichenstellungen bis hin zum Rangieren. Aber es läuft selten alles nach Plan.“
„Also können diese Programme nicht auf alles reagieren.“
„Auch das ist in Arbeit, in ein paar Jahren sollte die Mehrheit der Stellen abgebaut sein. Aber die Umstellung erfolgt langsam. Deswegen sind ja auch noch immer einige Züge mit Lokführer besetzt. Noch braucht es Menschen.“ Bernhard hebt erklärend die Hand. „Oft ändert sich spontan etwas. Wenn es zu Verspätungen kommt, kann es schnell Probleme geben. Dann ist ein Gleis noch besetzt, obwohl eine andere Bahn bereits dafür vorgesehen war.“
Die Beamtin schiebt den Teller mit den Keksen etwas näher zu Bernhard, als fürchtet sie, er hätte ihn übersehen. „Koordinative Aufgaben“, wiederholt sie. „Sie greifen ein, wenn der geplante Ablauf gestört ist.“
„Normalerweise durch Menschen“, sagt er. „Das Einsteigen und Aussteigen dauert länger als geplant, irgendwo wirft sich jemand auf die Gleise. Manchmal ist auch das Wetter Schuld.“
„Gab es am betreffenden Tag einen solchen Fall, in dem Sie eingreifen mussten?“
„Klar. Den gibt es immer.“
„War sonst etwas Außergewöhnliches?“
Ein paar Blumen welken auf dem Tisch vor sich hin, und die Stühle sind im passenden orangen Farbton gepolstert. Vor Bernhard stehen ein Kaffee und ein Teller Kekse aus der billigen Großpackung.
Das alles soll wohl eine Atmosphäre von Vertrauen oder Freundlichkeit schaffen, kann aber über die Umstände der Situation nicht hinwegtäuschen. Eine Vernehmung bei der Polizei, und wollen die Beamten dabei auch noch so rücksichtsvoll vorgehen, ist eben kein Zeitpunkt für Entspannung. Schon gar nicht an diesem Tag.
„Also, Herr Biom.“ Die Beamtin schiebt ihre dickgeränderte Brille etwas nach oben und sieht ihn mit durchdringendem Blick an. „Wir wissen, dass es auch für Sie eine schwere Situation sein muss. Deswegen sind wir dankbar, dass Sie sich bereiterklärt haben, einige Fragen zu beantworten. Verwandte oder Freunde hatten Sie keine unter den Opfern, wenn mein Kollege mich richtig informiert hat?“
Hinter Bernhard surrt eine Fliege, und er muss den Drang unterdrücken, sich nach ihr umzusehen. Er schüttelt den Kopf. „Nein, nur Kollegen. Keine Familie.“
„Natürlich.“ Die Polizistin schürzt die Lippen und nickt. „Es wäre ein Wunder gewesen, hätten sie beruflich keines der Opfer gekannt.“
Für einen Moment ist es still, die Fliege hat sich irgendwo niedergelassen. Bernhard sagt nichts.
„Gut. Ich weiß, Sie wurden dazu bereits befragt. Aber können Sie mir noch einmal grob erklären, worin Ihre Arbeit besteht? Ich dachte, die Infrastruktur sei inzwischen vollkommen technisiert und nur noch von Computern gesteuert. War es nicht das, was dieses schreckliche … Vorkommnis erst ermöglicht hat?“
Bernhard verzieht den Mund. Natürlich sind nur wenige Beamte auf diesen Bereich spezialisiert. Dass durchschnittliche Kriminelle längst nicht mehr mit Strumpfmasken getarnt und mit Pistolen bewaffnet sind, scheint bei der Justiz noch nicht angekommen zu sein.
Deswegen hat die Frau auch keine Ahnung von der Zusammenarbeit von Mensch und Technik. Klar, dass keiner mit passender Spezialausbildung die Befragung durchführt. Die haben gerade Dringlicheres zu tun.
„Ich bin direkt beim Bahnunternehmen angestellt“, erklärt er, „und habe koordinative Aufgaben. Planmäßig regeln spezielle Programme den Verkehr der Züge. Von den Geschwindigkeiten über die Weichenstellungen bis hin zum Rangieren. Aber es läuft selten alles nach Plan.“
„Also können diese Programme nicht auf alles reagieren.“
„Auch das ist in Arbeit, in ein paar Jahren sollte die Mehrheit der Stellen abgebaut sein. Aber die Umstellung erfolgt langsam. Deswegen sind ja auch noch immer einige Züge mit Lokführer besetzt. Noch braucht es Menschen.“ Bernhard hebt erklärend die Hand. „Oft ändert sich spontan etwas. Wenn es zu Verspätungen kommt, kann es schnell Probleme geben. Dann ist ein Gleis noch besetzt, obwohl eine andere Bahn bereits dafür vorgesehen war.“
Die Beamtin schiebt den Teller mit den Keksen etwas näher zu Bernhard, als fürchtet sie, er hätte ihn übersehen. „Koordinative Aufgaben“, wiederholt sie. „Sie greifen ein, wenn der geplante Ablauf gestört ist.“
„Normalerweise durch Menschen“, sagt er. „Das Einsteigen und Aussteigen dauert länger als geplant, irgendwo wirft sich jemand auf die Gleise. Manchmal ist auch das Wetter Schuld.“
„Gab es am betreffenden Tag einen solchen Fall, in dem Sie eingreifen mussten?“
„Klar. Den gibt es immer.“
„War sonst etwas Außergewöhnliches?“
Im kleinen Häuschen im Bahnhof roch es nach altem Kaffee. Bernhard ließ seinen Blick über die verschiedenen Monitore schweifen, die einen Großteil der Wandfläche einnahmen. Die Zahlen auf ihnen änderten sich ständig, dazwischen standen kryptische Buchstabenfolgen. Inzwischen erkannte Bernhard darin eine angenehme Übersichtlichkeit. Als er hier zu arbeiten angefangen hatte, waren ihm die Informationen zum Bahnbetrieb wie eine fremde Sprache vorgekommen. Heute konnte er sie lesen wie die Tageszeitung.
Nacheinander ging er die Anzeigen durch und überprüfte ihre Richtigkeit. Im Bereich D loggte er sich aus dem manuellen Zugriff aus, weil die Störung im Betrieb korrigiert war.
Dann nahm er sein Smartphone und scrollte durch die letzten Nachrichten in der Familien-Gruppe. Julia hatte Bilder aus dem Zeltlager geschickt. Lächelnd sah er sie durch und schrieb dann kurz Amelie, dass er am Freitag die Spätschicht übernehmen würde.
„Nein. Es gab keine Vorwarnung, wenn Sie das meinen. Wer es schafft, in das System zu gelangen, wird aufpassen, unauffällig zu bleiben. Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Entweder es steckt jemand dahinter, der ein Genie auf seinem Gebiet ist, oder es gibt Verbündete innerhalb unseres Unternehmens. Alles ist biometrisch geschützt, ohne die Zugriffsrechte hat niemand die Autorität, den Verkehr zu beeinflussen.“
Die Beamtin nickt, aber Bernhard sieht ihr an, dass sie ihm kaum zuhört. „Es war also ein normaler Arbeitstag. Wann haben Sie bemerkt, dass etwas nicht stimmt?“
Ein Schauer überläuft Bernhard. Wie jedes Mal, wenn er wieder daran denkt. Er zwingt sich, einen gelassenen Ton beizubehalten. „Erst, als es bereits zu spät war. Vielleicht drei oder vier Sekunden, bevor es passierte.“
Drei oder vier Sekunden. Es reichte gerade, um Bernhard in betäubende Panik zu hüllen. Die sich veränderten Anzeigen, die Sprache, die er plötzlich nicht mehr lesen konnte. Und der Moment, als er dennoch erkannte, was dort auf den vertrauten Monitoren geschrieben stand.
Dann spürte er es, bevor er es hörte. Ein fernes Zittern, dessen zerstörerische Gewalt aus der Ferne in den Bahnhof drang.
Ein Schlag, ein ohrenbetäubendes Knirschen, das nichts ähnelte, was er je zuvor gehört hatte. Und es endete nicht. Das Kreischen von sich biegendem und berstendem Metall hielt an, und Bernhard presste sich die Hände auf die Ohren. Lange saß er so da, Minuten vielleicht. Als die Hände sinken ließ, klangen panische Schreie vom Bahnsteig herein.
„Was genau ist in dem Bahnhof passiert, in dem Sie gearbeitet haben?“
„Nicht im Bahnhof.“ Bernhard starrt auf die kahle Wand hinter der Beamtin. „Davor. Ein Zug fuhr gerade aus dem Bahnhof aus. Ein ICE sollte auf dem Nachbargleis einfahren. Das wäre nach Plan abgelaufen, ich musste nichts nachkorrigieren. Ich war nicht einmal eingeloggt. Aber statt auf dem Nachbargleis fuhr der ICE auf dem noch besetzten Gleis ein, und zwar mit deutlich über hundert Stundenkilometern. Der Zusammenstoß ereignete sich etwa siebenhundert Meter vom Bahnhof entfernt.“
Etwas später erlöst die Beamtin ihn. „Ich danke Ihnen für Ihr Gespräch. Ich denke nicht, dass wir Sie noch einmal behelligen müssen.“
„Danke.“ Das zumindest meint er ehrlich.
Bernhard hat diese Aussage schon mehrfach gemacht, und inzwischen klingt sie hohl in seinen eigenen Ohren. Auch die Nachrichten, denen seit einer Woche niemand entkommen kann, sind nur noch bedeutungslose Worte. Über fünfhundert Tote bei dem Unglück, das er miterlebt hat, dazu weitere fünfhundert Verletzte, die meisten davon schwer. Unter anderen Umständen hätte Bernhard sich gefragt, warum gerade er an diesem Tag hatte dort sein müssen.
Aber das war erst der Anfang.
Auf dem kurzen Weg zu seinem MIND eine Straße weiter schreien es ihm Zeitungen und Werbebildschirme von allen Seiten entgegen.
Zahl der Toten bei landesweiter Zug-Katastrophe steigt auf zehntausend.
Bernhard senkt den Blick auf den Bürgersteig. Eine dreckbeschmierte Zeitung liegt über den halben Weg verteilt. Immer mehr Hinweise: Es war ein Terrorakt.
Die bisher unbekannten Täter sind in die Systeme der Bahngesellschaft eingedrungen und haben an dreiundzwanzig Stellen zugleich die Kontrolle über Züge und Weichen übernommen.
Über einen Bildschirm zu Bernhards Rechten flackern Bilder eines Wagons, der aufgrund der viel zu hohen Geschwindigkeit aus den Gleisen geschleudert worden war. Danach folgt ein Amateurmitschnitt einer Kollision, aufgenommen von einer Brücke aus.
So leicht wie Spielzeugeisenbahnen werden die Züge beim Zusammenstoß aus ihren Gleisen gerissen, schieben sich ineinander, brechen.
Der Bildschirm ist stumm, aber Bernhard hört den Widerhall in seiner Erinnerung kreischen.
Das Schrillen der Türklingel lässt Bernhard aufschrecken. Amelie und die Kinder sind bei einem Geburtstag, ausnahmsweise hatte sie keine Einwände, dass er zuhause bleiben wollte. „Ich verstehe, wenn du Ruhe brauchst, es zu verarbeiten. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“
Bernhard zieht sein Smartphone und sieht auf der draußen installierten Kamera nach, wer ihn an einem Samstagnachmittag stört. Als er zwei Beamte in Uniform erkennt, runzelt er die Stirn. Mit dem Sensor seines Smartphones entriegelt er die Tür, noch ehe er aufsteht.
„Ihre Kollegin sagte mir, Sie hätten alle Informationen, die Sie von mir bräuchten“, sagt er, als sie kurz darauf am Küchentisch sitzen. „Ich habe dreimal ausgesagt.“
Der ältere der Beamten nickt. „Wir haben keine weiteren Fragen, was den Hergang des Geschehens betrifft.“
Der andere ist jünger, in den Dreißigern vielleicht, und wirkt aufgeschlossener. „Inzwischen haben wir weitestgehend Kenntnis darüber, wie es den Tätern gelingen konnte, die Systeme zu manipulieren. Sie haben sich offenbar fremder biometrischer Daten verschiedener Angestellter mit entsprechenden Zugriffsrechten bemächtigt.“
„Was? Wie meine Sie das?“
„Es tut mir leid, Herr Biom. Wir sind hier, um alle Geräte zu konfiszieren, die eventuell biometrische Daten von Ihnen gespeichert haben könnten. Smartphones, Tablets, alles in der Art.“
Perplex sieht Bernhard erst ihn, dann seinen Kollegen an. „Warten Sie. Was?“
Bedächtig stützt der Ältere die Ellenbogen auf den Tisch. „Mehrere Angestellte des Bahnunternehmens sind Opfer eines sDatendiebstahles geworden, den wir in diesem Ausmaß noch nicht erlebt haben. Vermutlich wurden die Daten einem Unternehmen entwendet, das diese routinemäßig speichert. Wir vermuten, dass es sich um die Firma „IT-waSA 3IG MIS-T4Ke Ltd.“ handelt. Sagt Ihnen das was?“
Instinktiv umklammert Bernhard das Smartphone in seiner Tasche. Einen Moment überkommt ihn der Drang, es vor den Beamten zu verstecken. Dann legt er es vor ihnen auf den Tisch. Seine Hände zittern.
Der junge Polizist wechselt einen Blick mit seinen Kollegen. Als er Bernhard ansieht, ist sein Blick traurig. „Es tut mir sehr leid, Herr Biom. Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe.“
Nein, denkt Bernhard und erinnert sich seine Aussagen. Es ist nichts Außergewöhnliches passiert. Es gab keine Vorwarnung.
Sind diese Szenarien nicht eher aus einem Hollywood Film, als aus der realen Welt?
Die auf ExoKrypt.de aufgeführten Worst Case Szenarien stellen keine frei erfundenen Geschichten dar, sondern sind auf den Grundlagen der derzeitigen Technik und der Möglichkeiten geschrieben worden. Sie sollen aufzeigen, welche Folgen unachtsames Verhalten und fehlende Weitsicht in naher Zukunft auf uns alle haben kann. Die beschriebenen Folgen klingen zwar oftmals wie aus einer Science Fiction Saga, zeigen jedoch eine durchaus plausiblen Entwicklung auf.